Alle Welt redet heutzutage von Achtsamkeit. Es herrscht wohl eine allgemeine Sehnsucht , ja ein Hunger nach etwas, was uns auf einer tiefen Ebene fehlt und das wir für ein erfülltes Leben zu brauchen scheinen. Achtsamkeit beschreibt die Fähigkeit, in unserem eigenen Leben "anwesend" zu sein, es so zu führen, als käme es wirklich darauf an, im Hier und Jetzt präsent zu sein, dem einzigen Augenblick, den wir überhaupt haben.
Mein persönliches Hamsterrad
Ich erinnere mich noch sehr gut an eine Zeit, als ich nachts wach im Bett lag und mit meinen Gedanken gerungen habe. Dabei habe ich mich verzweifelt bemüht, meinen Geist zur Ruhe zu bringen, ihn einfach still werden zu lassen, um endlich einschlafen zu können. Doch was ich auch anstellte, nichts funktionierte. Immer wenn ich den Versuch unternahm, die Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen, schienen sie erst recht auf Touren zu kommen. Kaum hatte ich mein Kopfkissen zurechtgerückt und mich auf die andere Seite gewälzt um eine bequeme Lage zu finden, gingen die Grübeleien weiter.
Am nächsten Morgen hatte ich das gegenteilige Problem. Ich wollte hellwach sein, musste aber andauernd gähnen. Trotz der Unmengen an Kaffee, den ich damals konsumierte, fühlte ich mich elend und wie gerädert. Dennoch schleppte ich mich zur Arbeit, war jedoch kaum präsent und unfähig mich zu konzentrieren. Mein Kopf war leer und ich starrte auf meinen Schreibtisch in der Hoffnung, dass mir irgendetwas die Kraft geben würde, das umfangreiche Arbeitspensum in einer Werbeagentur zu bewältigen. Ich fühlte mich immer nervöser, gestresster und erschöpfter. Mein Feierabend bestand aus Fernsehen schauen, Musik hören, lesen, im Internet surfen, joggen bis zum Umfallen. Alles Ablenkungen, die - wie ich heute weiß - ungeeignet sind, um wirklich innezuhalten und runterzukommen.
Gelassenheit finden in einer hektischen Welt
Heute, im Jahre 2020, ist es mir weitgehend gelungen (ungeachtet aller Alltagssorgen und Herausforderungen) Ruhe und Gelassenheit zu finden. Zugegeben, auch heute "stressen" mich noch manche Situationen oder Zeitgenossen. Aber ich kann viel schneller innehalten und wieder zur Ruhe kommen. Oder besser gesagt, ich habe diese besagte Ruhe wiedergefunden, eine tief im Inneren wohnende Quelle des Friedens und des Wohlbefindens. Durch meine hektische und ruhelose Lebensweise hatte ich diese Quelle nicht mehr wahrnehmen können. Geholfen hat mir dabei die Praxis der Achtsamkeit. Dadurch habe ich gelernt, mir selbst gegenüber geduldiger und mitfühlender zu sein, loszulassen und wirklich tief zu entspannen und vom TUN-Modus in den SEIN-Modus zu wechseln. Vom Multitasking bin ich geheilt, ebenso von Zeitdruck, Hektik und permanenter Erreichbarkeit.
Achtsamkeitsmeditation - Die Erlaubnis zum Innehalten
Kurz anhalten, ruhig atmen und Abstand gewinnen. Wer glaubt, dass Achtsamkeit eine Religion ist, bei der man unbedingt im Lotussitz auf dem Boden sitzen muss, irrt. Die Schulung der Achtsamkeit stellt in erster Linie eine Form der geistigen Übung dar. Das funktioniert im Sitzen auf einem Stuhl ebenso wie im Liegen, im Gehen oder im Stehen. Die Schulung der Achtsamkeit erfordert keinen großen Zeitaufwand, aber ein gewisses Maß an Ausdauer und Geduld sind erforderlich. Die Übungen selbst sind nicht kompliziert. Es geht dabei auch weder um Erfolg oder Misserfolg. Das Ziel ist vielmehr, die Welt klarer zu sehen und im eigenen Leben anwesend, sprich, präsent zu sein. Es sind nur 20 bis 40 Minuten täglich, aber sie haben meinem Leben eine neue Qualität gegeben. Bereits nach acht Wochen stellte sich ein Gefühl tiefer Ruhe ein, und ich entdeckte meine Lebensfreude wieder. Später nahm ich ich an Achtsamkeits- und Meditations-Workshops sowie einem einwöchigem "Retreat" in einem buddhistischen Kloster teil. Im letzten Jahr machte ich dann eine Ausbildung zum Achtsamkeitscoach in einem renommierten Institut. Ich war auf den Geschmack gekommen. Achtsamkeit ist mehr als ein Übungsweg, es ist eine Lebenseinstellung!
Neugierig geworden? Besonders inspiriert haben mich die Bücher von Jon Kabat-Zinn und Tara Brach und Jack Kornfield. Noch wichtiger als die Theorie ist die tägliche Praxis.
Es gibt mittlerweile viele gute ausgebildete MBSR-Lehrer (mindfulness based stress reduction) die achtsamkeitsbasierten Übungen und Meditation in einer Gruppe lehren.
Für mich ist Achtsamkeit mittlerweile ein echter Segen. Wann immer ich mich gestresst oder unglücklich fühle (auch das kommt immer mal wieder vor) bietet sie mir die Möglichkeit, im Alltag innezuhalten und für eine kurze Übung zu unterbrechen. Ein paar achtsame Atemzüge und immer wieder ankommen, in dem was ist. Achtsamkeit ist mein Fallschirm und mein Rettungsboot.
Gute Reise!
wünscht dir dein
Michael Weiger, Achtsamkeitscoach
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